Auch über den Weisheitsbaumpfad kann man die Kapelle zu Fuß erreichen.
Aus dem Buch „Wanderblüthen“ von Lucian Reich.
Am Ende eines Kreuzwegs, der steil in den über Staufen liegenden Wald führt, steht die St.-Johannes-Kapelle. Das Waldheiligtum war immer ein besonderer Ort der Andacht für die Stadtbürgerschaft, und es waren die Bürger in ihrer Gesamtheit, die sie errichteten.
[Bau der Kapelle] Die Geschichte der Kapelle geht auf das Jahr 1685 zurück. Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) hatte das Oberrheingebiet verwüstet, darunter auch die Einsiedlerklause St. Gotthard unweit von Staufen. Erst rund fünfzehn Jahre nach Kriegsende gelang der Wiederaufbau. Zwischenzeitlich hatte jedoch der damalige Eigentümer, das Kloster Beuron im Donautal, das Anwesen an einen Freiburger Beamten verkaufen müssen. Offenbar sah man in Staufen den Übergang in Privathand mit sehr gemischten Gefühlen. Als St. Gotthard in den Kriegen des französischen Königs Ludwigs XIV. 1678 nochmals zerstört wurde, entschloss man sich zur Verlegung der Einsiedelei.
Für das neue Eremitenanwesen wurde nun der „Dürre Buck“ oberhalb der Stadt ausgemacht; ein Grundstück im Besitz der Stadt, das bald den Namen „Waldbruderköpfle“ tragen sollte. 1685 wurde die neue Kapelle in einfacher Form errichtet. Unmittelbar auf den anstehenden Fels baute man einen rechteckigen Kapellenraum, der anfänglich wohl mit einem flachen Holzdach gedeckt wurde. Schon wenig später zog man aber in das Dach ein Kreuzgewölbe ein. Zwei Rundbogenfenster und ein Rundfenster über der Eingangstür spenden Licht. Auch der kleine, rechteckige Chor, der etwas höher liegt, ist mit einem Kreuzgewölbe überdacht. Chor und Kapelle sind durch ein schmiedeeisernes Gitter getrennt. Geweiht wurde die Kapelle dem hl. Johannes dem Täufer, wohl nach dem Namenspatron des ersten Eremiten Johannes Willi. Für diesen wurde an die Kapelle ein Wohnhaus angebaut, wobei man die Firsthöhen von Haus- und Kapellendach anglich. Die Eremitenklause besaß einen direkten Zugang zur Kapelle durch eine Tür im Chor.
Bild oben: Das heilige Grab mit Christusfigur
[Stiftungen] Als städtisches Heiligtum fanden mehrere fromme Stiftungen der Staufener hier ihren Platz. So eine Statue der hl. Agatha, die 1709 zum Dank für die Rettung aus Feuersnot in der Kapelle aufgestellt wurde, 1723 ein Glöckchen, für das ein Glockenturm angebracht wurde sowie vor allem 1739 ein Kreuzweg, der von der Stadt zur Kapelle führt und über die Jahrhunderte hinweg immer wieder erneuert wurde. Als 14. Station des Kreuzwegs dient ein gleichfalls 1739 errichteter Anbau an die Kapelle, in dem ein hl. Grab mit Christusfigur untergebracht ist. Dieser Anbau – auch er die Stiftung eines Stadtbürgers, des damaligen Stadtvogts Joseph Kenel – liegt tiefer als die Kapelle und kann nur in gebückter Haltung begangen werden.
Ende des 19. Jahrhunderts kam der Altar in die Kapelle, die bis dahin anscheinend keinen Hochaltar besessen hatte. Er stammte aus der Friedhofskapelle St. Sebastian in Staufen und zeigte ursprünglich eine anrührende Schutzmantelmadonna. Leider ist dieses Altarbild bei einem Einbruch im Jahr 2006 ebenso gestohlen worden wie zwei alte Votivbilder, zwei Marienfiguren und Engelsköpfe vom Altaraufbau. Im Hochaltar hängt nunmehr als Leihgabe der Erzdiözese Freiburg eine barocke Mariendarstellung, die in ihrer unbeholfenen Malart gut zu dem einfachen Charakter der Kapelle passt. Erhalten blieb im Schreinwerk des Altars noch die Stiftungsinschrift des Staufener Rotgerbers Johann Jakob Gocklin zugunsten der St.-Sebastian-Kapelle aus dem Jahr 1730. Über dem Altarbild finden sich seine Initialen und sein Wappen.
[Die Eremiten] Vor dem Altar bemerkt man im Fußboden eine unbezeichnete Grabplatte, unter der man die Gebeine des ersten Eremiten Johannes Willi fand. Das Einsiedler- oder Eremitentum war eine uralte Form christlichen Lebens; allerdings ist das Staufener Eremitenhaus bei St. Gotthard, das 1685 nach St. Johannes verlegt wurde, erst Anfang des 17. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Im 18. und 19. Jahrhundert genossen die Einsiedler große Popularität. Fürsten errichteten sich „Eremitagen“, und eine Vielzahl von Gemälden und literarischen Darstellungen nutzten den Einsiedler als Motiv eines romantisch-einsamen Lebens. Mit der Wirklichkeit hatte dies wenig gemein. Die Einsiedler waren bitterarme Männer, in der Regel ohne theologische Ausbildung und daher von der Kirche nicht anerkannt. Häufig verstand man sie lediglich als eine Art Mesner für die ihnen überlassenen Kapellen. Dementsprechend wurden sie in Staufen von dem Kapelleneigentümer, der Stadt Staufen, bestellt. Neben dem Bettel und vielleicht etwas Landwirtschaft hielten sie sich wohl mit Hilfe von Gaben der Stadtbürger über Wasser. Die kirchlichen Reformen Kaiser Josephs II. brachten 1783 die zwangsweise Auflösung der vorderösterreichischen Eremitenklausen. Der letzte Waldbruder, Gervasius Hugard, verbrachte seinen Lebensabend im Staufener Spital. Der Kapelle aber hielten die Staufener die Treue. Die Stadt ließ eine Entweihung des Gotteshauses oder gar einen Verkauf nicht zu. Das Eremitenwohnhaus vermietete man an einen Bürger, der sich um die Kapelle als Mesner zu kümmern hatte. Nach wie vor strömten die Bürger zur Kapelle, stifteten Votivbilder und sogar Messen. Zweimal jährlich fanden Prozessionen zu der Kapelle statt. In einer Kirchenbank ist besonders ausgewiesen der Andachtsplatz des Staufeners Geschichtsforschers Rudolf Hugard (1863–1922), der seine Kapellenbesuche in der Bank markierte. Da Hugard körperbehindert war, waren die Kapellenbesuche für ihn wahrscheinlich mit Schmerzen verbunden.
Innenraum der Kapelle.
Hochaltar von 1730.
Der 2006 gestohlene Engelskopf.
[Heutige Ausstattung] Unter den in der Kapelle nach dem Einbruch noch vorhandenen Skulpturen ist vor allem der hl. Josef hervorzuheben, der unter den Staufenern große Verehrung genoss und jährlich mit einem Gottesdienst am Josefstag im März besonders gefeiert wurde. Nach ihm heißt das gesamte Anwesen im Staufener Volksmund auch das „Josefle“. Die kunsthistorische Forschung (Hermann Brommer) möchte die Skulptur dem aus Merdingen stammenden Künstler Johann Baptist Sellinger (1714–1779) zuweisen. Eine zweite Arbeit zeigt den hl. Johannes den Täufer. Wendet sich der Besucher um, sieht er rechts und links der Eingangstür zwei weitere Skultpuren. Die Linke zeigt die Staufener Stadtpatronin, die hl. Anna, wie sie ihre Tochter Maria im Lesen unterweist. Diese spätmittelalterliche Skulptur wurde dem Arbeitskreis Staufener Stadtbild 2010 aus einem Nachlass geschenkt. Ihr gegenüber steht ein barocker Nepomuk, der nach einer mündlichen Überlieferung angeblich von der alten Staufener Neumagenbrücke stammt.
[Renovierung 2004/2005] 2003 verkaufte die Stadt Staufen die Kapelle an den Arbeitskreis Staufener Stadtbild, der sich seitdem um die Erhaltung des Gebäudes bemüht. Nachdem die Kapelle 1959 und in den 1960er Jahren von der Kolpingfamilie instandgesetzt worden war, stand für den Arbeitskreis Staufener Stadtbild in den Jahren 2004–2005 eine neuerliche Renovierung an. Bei dem Verkauf und der Renovierung ist die Kapelle wiederum nicht profaniert worden, sondern wurde nach dem Abschluss der Arbeiten 2005 neu geweiht. Die alte, zwischenzeitlich aber erweiterte Eremitenklause wurde an eine Staufener Familie verkauft, die sich seitdem auch um das Gesamtanwesen kümmert.
Die St.-Johannes-Kapelle ist nur zu Fuß zu erreichen. Von der Altstadt Staufen kann man entweder steil über den Weiher- und den historischen Stationenweg zur Kapelle finden oder etwas flacher über den Strenzle- und den Akazienweg sowie über den Weisheitsbaumpfad. Ein dritter Weg führt vom Freibad Staufen über den Messerschmiedfelsen und das Waldbruderköpfle zur Kapelle. Sie steht privaten Besuchern und Gruppen zur Besichtigung tagsüber offen.
Sandra Heißler
Telefon: 07633 9236025
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